4.1 Mailingliste SozialarbeitDie Mailingliste Sozialarbeit(1) wurde Anfang Juni 1996 durch Christoph Kusche, einem am Fachbereich Sozialwesen der Fachhochschule Lüneburg lehrenden Sozialarbeiter, begründet. Vorbild dieses Forums für fachlichen Austausch und Vernetzung sind im anglo-amerikanischen Raum seit längerem bestehende Mailinglisten.(2) Die Funktion und der praxisnahe Anspruch der Mailingliste werden wie folgt beschrieben:
Die Mailingliste Sozialarbeit ist moderiert. Die Moderation sieht ihre Aufgabe vorrangig darin, den Mailservice anzubieten, zur Teilnahme zu ermuntern, den Bekannheitsgrad der Liste zu fördern und rein kommerzielle Werbung zu unterbinden. Beiträge mit sexistischem und rassistischem Inhalt führen zum Ausschluß aus der Liste. Ausschlüsse von Personen aus der Mailingliste sind - für ein fachlich orientiertes Forum ungewöhnlich - bereits in zwei Fällen vorgekommen. Zumindest in einem Fall geschah dies aus anderen, als den ausdrücklich in der Charta(4) betonten Gründen und führte im Nachhinein zu kontroversen Diskussionen. Produktwerbung findet in verklausulierter Form statt, obwohl sie erklärtermaßen ebenfalls nicht erwünscht ist. Dies hat bisher nicht zu Konsequenzen geführt. In erster Linie handelte es sich bei den beworbenen Produkten um Computer-Software für den Sozialbereich. Derzeit wird die Mailingliste Sozialarbeit (Stand April 1997) von mehr als 300 Usern, vorrangig aus dem deutschsprachigen Raum, aber auch aus anderen europäischen Staaten und den USA, genutzt.
möglich. Chr. Kusche schätzt den tatsächlichen Anteil der weiblichen Teilnehmer auf 65 (20,83%). Abbildung 20: Übersicht Mailingliste Sozialarbeit(6) Die Nutzergruppe setzt sich aus Vertretern aller Berufsfelder des Sozialwesens zusammen. Die Mailingliste wird von interessierten Laien, über Erzieher, Studentinnen und langjährige Praktiker der Sozialen Arbeit, bis hin zu Hochschuldozenten genutzt. Der Frauenanteil in der Liste ist erkennbar geringer als der Anteil männlicher Teilnehmer. Dies könnte, vor dem Hintergrund eines überwiegenden Frauenanteils sowohl in der Berufswelt als auch in der Ausbildung des Sozialwesens, zunächst verwunderlich wirken. Erklärbar wird dies aber durch den, auch global betrachtet, noch geringeren Anteil von Frauen bei der Internetnutzung (insofern ist der Anteil in der Mailingliste Sozialarbeit möglicherweise sogar höher als in Deutschland insgesamt). Der größte Diskussionsanteil in der Liste wird dementsprechend von Männern bestritten. Die Mehrzahl der Abonnenten beschränkt sich jedoch, was für andere Diskussionsforen aber genauso zu beobachten ist, auf das passive Lesen der eingehenden Nachrichten. In der Gruppe der aktiven Nutzer - also der Personen, die selbst Nachrichten veröffentlichen - stellen Studenten und Praktiker aus so verschiedenen Arbeitsbereichen wie Kinder- und Jugendarbeit, Heimerziehung, ASD, Krankenhaussozialarbeit, Bildungswesen oder Beratungsstellen den größten Anteil. Die unterschiedlichen beruflichen Hintergründe, Motive und Interessenlagen der Teilnehmer führen zu einer großen Spannweite der Diskussionsthemen. Hinweise auf Fortbildungen, Tagungen, Literaturanfragen, Stellengesuche oder Projektdarstellungen finden sich genauso, wie Erörterungen fachspezifischer Themen (z.B. Diskussionen über die Qualitätssicherung in der Sozialen Arbeit, Konzepte der Heimerziehung oder Datenschutz bei der Verwendung vernetzter elektronischer Medien im Sozialwesen). Durchschnittlich erreichen die Liste seit Juni 1996 täglich etwa sechs Nachrichten, wobei das Mailaufkommen durchaus auch auf fünfzehn oder mehr pro Tag ansteigen kann, wenn sich mehrere interessante Diskussionsstränge zur gleichen Zeit entwickeln. Stil und Umgangston innerhalb der Liste sind dabei meistens eher förmlich, obwohl genauso humorige Bemerkungen oder Flames(7) vorkommen. Ausdruck unterschiedlicher Erwartungen bei den Teilnehmern, aber auch von fehlender Vertrautheit mit den Konventionen bei dieser Form der Kommunikation, sind ebenfalls zu verzeichnende inhaltsleere oder off-topic-Beiträge(8) die gelegentlich den fachlichen Diskurs hemmen. Nach mittlerweile fast einem Jahr scheint sich die Mailingliste als Gesprächsforum für die Soziale Arbeit zu etablieren und stellt für viele Nutzer offenbar ein interessantes Instrumentarium dar, um mit Kollegen in Kontakt zu kommen, die auf herkömmliche Weise nicht, oder nur unter erheblichem Aufwand, erreicht werden könnten. Über das Vertiefen von Kontakten mittels privater E-Mail eröffnen sich zusätzliche Möglichkeiten der Kooperation und des Austausches, die weit über den begrenzten Rahmen der Mailingliste hinausgehen können. Auch wenn Diskussionen oftmals nicht systematisch verlaufen oder Anfragen unbeantwortet bleiben, nutzen zunehmend mehr im Sozialwesen Tätige die kommunikativen Möglichkeiten dieses Mediums. Christoph Kusche zog im Februar 1997 Bilanz:
Insgesamt - so ist mein Eindruck - ist diese Mailinglist Sozialarbeit angenommen worden. Der Balanceakt - in der elektronischen Interaktion -zwischen der Realisation eigener Interessen in der Kommunikation und dem Ertragen disparitärer Einwendungen von 'weniger Nützlichem...' fordert ungewohnte Formen der Toleranz, des Übergehens und und und... eben die Entwicklung veränderter Kommunikationskulturen. Wenn es uns gelingt, hier Maßstäbe zu erahnen, kann dies Projekt an Gebrauchswert gewinnen."(9) (1) Um die Mailingliste zu abonnieren sendet man eine E-Mail mit der Betreffzeile subscribe an: <sozialarbeit-request@next_1.fh-lueneburg.de>. Weitere Hilfen erhält man durch Einsendung einer E-Mail mit der Betreffzeile help an die selbe Adresse. Die Informationen zur Darstellung der Mailingliste gehen zurück auf eigene Erfahrungen und auf die in der Liste regelmäßig veröffentlichen List-Informationen des Betreibers und Initiators. (2) Beispiele für diese Listen sind: INTSOCWORK: International Social Work, <listserv@nisw.org.uk> oder SOCWORK: Social Work List, <listserv@uafsysb.uark.edu> (3) Christoph Kusche zum Selbstverständnis der Mailingliste, entnommen aus den monatlich veröffentlichten Informationen zur Mailingliste Sozialarbeit. (4) Charta = Die schriftlich fixierte Beschreibung von Schwerpunkten, Inhalten und Diskussionsthemen in Newsgruppen und Mailinglisten. (5) Domain = Gruppe von Systemen mit weltweit eindeutig zuweisbarer Adressierung im Internet. (6) Die Angaben wurden von Christoph Kusche am 29.04.1997 in der Mailingliste veröffentlicht. (7) Flame = Zurechtweisung, Beschimpfung (8) off-topics = Beiträge ohne thematischen Bezug zur Liste (9) Christoph Kusche in einem Rückblick zur Entwicklung der Mailingliste Sozialarbeit. |