2 Politische Aspekte der IKTBereits die traditionellen Massenmedien, Rundfunk und Presse haben in einer pluralistisch-, repräsentativ-verfaßten Demokratie wesentliche Aufgaben und eine nicht zu unterschätzende Macht- und Kontrollfunktion. Nach Susanne Hiegemann (1) kann das Ziel gesellschaftlicher Auseinandersetzung nur mit Hilfe der Massenmedien realisiert werden:
Hiegemann weist den Massenmedien folgende öffentliche Aufgaben zu:
Der Kommunikationswissenschaftler Dietmar Boigner verweist bei seiner Medienbetrachtung ebenfalls auf den zentralen Begriff der Öffentlichkeit:
Die neuen Kommunikationstechnologien, und hier insbesondere das Internet, könnten bei weiterer Verbreitung ein ähnlich aufklärerisches Potential entwickeln wie die klassischen Medien es bereits bieten. Rundfunkanstalten und Verlage nutzen das Internet schon heute. (4) Für sie geht es dabei zunächst um eine erweiterte Form der Distribution. Praktiziert wird dabei nicht eine 1:1-Umsetzung, z.B. der Printausgabe einer Tageszeitung auf das neue Medium, sondern ein Exzerpt interessanter Aufmacher und darüber hinaus eine Nutzung der neuen multimedialen Möglichkeiten (z.B. Tonversionen von Interviews oder Radiosendungen mit Hilfe von Real-Audio(5). Da die Produktionen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, Informationssammlungen von Hochschulen, die Bestände von Bibliotheken, aber genauso Daten von Verwaltungsbehörden meistens schon in digitaler Form vorliegen und zudem vom Steuer- und Gebührenzahler finanziert sind, liegt die Forderung nahe, eine Präsentation und Abrufbarkeit dieser Inhalte zukünftig grundsätzlich auch im Internet zu ermöglichen. Mit privaten Angeboten im WWW (World Wide Web), in Mailinglisten(6) und diversen Diskussionsforen des Usenet(7) existiert schon eine Graswurzel-Ebene, auf der - abseits von offiziellen Verlautbarungen und Pressemitteilungen - mit privatem Engagement eine informierte (Gegen-) Öffentlichkeit und Meinungsvielfalt geschaffen wird. So dienten beispielsweise Newsgroups (Diskussionsforen) des Usenet und Mailboxsysteme (hier: ZaMir-Net) während des Krieges in Bosnien-Herzegowina als Medium der Kommunikation zwischen Bevölkerung und Hilfsorganisationen einerseits, sowie der Kontaktaufnahme und der Information der Weltöffentlichkeit andererseits.(8) Mit dem Internet, als einem Kommunikations- und Informationsnetz(werk), hat sich ein politischer Informations- und Diskussionsraum entwickelt. Im Gegensatz zur Top-Down-Kommunikation(9) der klassischen Medien ist
Weil die klassischen Medien, durch die strukturelle Beschränkung limitierter Sendekapazitäten, aus einer Fülle von Informationen und Ereignissen, nach ausgewählten Kriterien, eine gezielte Auswahl treffen müssen, kommt es zwangsläufig zu Ausgrenzungen und daraus resultierenden Informationslücken. Das Internet hingegen kann auf eine viel größere Anzahl von Sendern und Informationsquellen zurückgreifen, die zudem polydirektional miteinander vernetzt sind. Es bietet daher wesentliche Chancen für eine inhaltliche Ausgewogenheit. Der Informationsfluß entspringt hier an der Basis. Hinzu kommt das Vorhandensein eines ständig präsenten Rückkanals, der bei den klassischen Medien höchstens in rudimentärer Form angelegt ist. Jeder Teilnehmer hat im Internet die Möglichkeit zur unmittelbaren Stellungnahme, kann Sender und Empfänger zugleich sein.
(1) Hiegemann, Susanne, Kabel- und
Satellitenfernsehen - Die Entwicklung in der Bundesrepublik Deutschland unter ökonomischen,
politischen und inhaltlichen Aspekten, Bonn 1988, S. 13 ff.
(2) Hiegemann, Susanne, a.a.O., in
Anlehnung an Ernst Fraenkel und Karl-Dietrich Bracher, Staat und Politik, Frankfurt/Main 1968
(3) Boigner, Dietmar, Kommunikation, Wien 1990, S. 61
(4) Bekannte Beispiele sind die WWW-Angebote von ARD, WDR, taz, Stern oder Spiegel. Darüber hinaus existieren auch sog. Newsletter,
die per Email an Abonnenten verteilt werden (z.B. Edupage, ein Pressespiegel großer
amerikanischer und internationaler Tageszeitungen und Nachrichtenagenturen zum Thema Computer und Neue Medien).
(5) Softwarestandard für die Übertragung
komprimierter Audiodateien via Internet.
(6) Auf E-Mail-Technik basierende verteilte Diskussionsliste.
(7)Eine thematisch strukturierte Hierarchie von
Diskussionsforen mit weltweiter Verbreitung; ein Teil des Internet.
(8) vgl. Kurzidim, Michael, Freiheitskämpfer -
Widerstandsgruppen und Menschenrechtler im Internet, c't - magazin für computertechnik, 11/95, S. 66
(9) Top-Down bezeichnet hier die Richtung, in der
Kommunikation sich in den klassischen Medien bewegt (One-to-Many: Auswahl und Präsentation
von Informationen durch wenige für viele).
(10) Rheingold, Howard, Die Zukunft der Demokratie
und die vier Prinzipien der Computerkommunikation, in: Kursbuch Neue Medien,
Bollmann, Stefan (Hg.), Mannheim 1995, S. 190
(11) Rheingold, Howard, Die Zukunft der Demokratie
und die vier Prinzipien der Computerkommunikation, in: Kursbuch Neue Medien,
Bollmann, Stefan (Hg.), Mannheim 1995, S. 194 |