![]() 2.1 Demokratische Qualitäten und VeränderungspotentialeIm ersten Jahresbericht des Forums Informationsgesellschaft finden sich Feststellungen zu den demokratiefördernden Potentialen der IKT:(1)
Um diesen Möglichkeiten Ausdruck zu verschaffen wurden folgende Handlungsempfehlungen an die Kommission und die Mitgliedsstaaten ausgesprochen:
Im Bericht der Bundesregierung Info 2000 - Deutschlands Weg in die Informationsgesellschaft" (4) findet die Förderung politischer Bürgerbeteiligung im Gegensatz zum Handlungsfeld Stärkung des marktwirtschaftlichen Ordnungsrahmens und Fortentwicklung der rechtlichen Rahmenbedingungen" jedoch kaum Berücksichtigung. Es stellt sich deshalb die Frage, ob eine Erweiterung der repräsentativen Demokratie um direktdemokratische Strukturen, wie sie die IKT vermitteln könnte, seitens der politischen Entscheidungsträger in Deutschland überhaupt gewünscht ist. Der Soziologe Rainer Rilling kommt unter dem Eindruck der zahlreichen politischen Strategie- und Handlungspapiere seitens der EU und der Bundesregierung zu folgender Schlußfolgerung:
Mittels des Internet können heute noch keine politischen Entscheidungen herbeigeführt werden. Voraussetzung hierfür wäre die Implementierung direktdemokratischer Strukturen, z.B. in Form elektronischer Wahlverfahren. Dazu bedürfte es jedoch offener Zugangsmöglichkeiten für alle Bürger und geeigneter Authentifizierungsverfahren. Politische Meinungsbildungsprozesse und daraus resultierende Beschlüsse könnten jedoch schon heute durch öffentliche Information und Diskussion verstärkt auch im Internet transparent gemacht werden. Liest man die Hamburger Erklärung zur Informationsgesellschaft der IMD,(6) so relativieren sich die bisherigen Ansätze bundesdeutscher Politikpräsenz im WWW:
Welche Möglichkeiten also kann es für die Cyberdemokratie geben? In seinem Aufsatz Auf dem Weg zur Cyberdemokratie?" (8) stellt Rainer Rilling ernüchternd fest: das Netz ist unpolitisch". Rilling kommt zu dieser Auffassung u.a. aufgrund einer qualitativen und quantitativen Analyse politischer Angebote und Inhalte des Informationsraumes WWW. Nach seiner Einschätzung dürfte der Anteil politischer Sites im WWW demnach bei 0,5 Prozent liegen. Auch im Usenet setzt sich diese Unterrepräsentierung fort.(9) Er kommt deshalb zu folgender Kategorisierung:
Es wird deutlich, daß der IKT und den Computernetzen zwar ein demokratieförderndes Potential innewohnt (Information, Meinungsbildung und -äußerung durch Diskurs), aber eine direkte Diffusion des politischen und gesellschaftlichen Realraumes zur Zeit nicht stattfindet. Internet kann die heutige Krise der parlamentarischen Demokratie nicht lösen" (11) folgert der Medientheoretiker und Mitbegründer der digitalen Stadt Amsterdam Geert Lovink, und verweist damit auch auf den gesellschaftlichen Trend zur Entpolitisierung. Auch Herbert Kubicek, Leiter der Forschungsgruppe Telekommunikation an der Universität Bremen, sieht momentan keine bedeutenden Ansätze für eine Vitalisierung der Demokratie durch die Netze:
Weiter prognostiziert Kubicek für das Internet eine Entwicklung hin zu einem Medium, das sich den traditionellen Massenmedien annähert, weil es der kommerziellen Durchdringung - aus sich heraus, ohne entsprechende staatliche Intervention - nicht standhalten kann:
Die Diskussionen und Aktionen rund um die Rahmenbedingungen der gesellschaftlichen, politischen und ökonomischen Entwicklung hin zur Informationsgesellschaft (IG) spielen sich auf verschiedenen Ebenen ab. Auf Bundes- und Länderebene existieren verschiedene Gremien, die an einer Fülle von Gesetzen und Gesetzentwürfen(14) beratend und entscheidend mitwirken.(15) Hierbei werden jedoch nicht in ausreichendem Maße die ebenfalls an einer Diskussion interessierten gesellschaftlichen Gruppierungen außerhalb wirtschaftlicher und politischer Lobbies berücksichtigt. Wünschenswert wäre eine deutlich breitere gesellschaftliche Diskussion und Beteiligung der public interest groups. Zu diesen Gruppen zählen z.B. die breite Diskussionsbasis aus Politik-, Soziologie- und Kommunikationswissenschaftlern in der IMD (Initiative Informationsgesellschaft - Medien - Demokratie) mit ihren Publikationen und Kongressen, der CCC (Chaos Computer Club), FoeBuD (Verein zur Förderung des öffentlichen bewegten und unbewegten Datenverkehrs e.V.) oder FIfF (Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung e.V.) und viele erfahrene Netzbewohner in den Newsgroups und Mailinglisten des Usenet. (1) Das Forum Informationsgesellschaft wurde auf einen Beschluß der Europäischen Kommission vom Februar 1995 hin eingesetzt. Ziel war die Schaffung eines neuen maßgeblichen Gremiums, das die Herausforderungen der Informationsgesellschaft reflektieren und erörtern und entsprechende Empfehlungen formulieren sollte." (Forum Information Society, Netzwerke für Menschen und ihre Gemeinschaften - Die Umsetzung der Informationsgesellschaft in der Europäischen Union. Erster Jahresbericht des Forums Informationsgesellschaft an die Europäische Kommission, Juni 1996, <http://www.ispo.cec.be/> (2) Forum Information Society, Netzwerke für Menschen und ihre Gemeinschaften, 1996, <http://www.ispo.cec.be/> (3) Forum Information Society, Netzwerke für Menschen und ihre Gemeinschaften 1996, <http://www.ispo.cec.be/> (4) BMWi (Hg.), Info 2000 - Deutschlands Weg in die Informationsgesellschaft, Bericht der Bundesregierung, Bonn 1996 (5) Rilling, Rainer, Auf dem Weg zur Cyberdemokratie?, Vortrag auf dem Kongreß Demokratie an der Schnittstelle. Neue Medien und politische Perspektiven" der Hessischen Gesellschaft für Demokratie und Ökologie e.V. (HGDÖ) am 07.12.1996 in Frankfurt, <http://staff-www.uni-marburg.de/~rillingr/bdweb/texte/cyberdemokratie-text.html> (6) Die Initiative Informationsgesellschaft * Medien * Demokratie (IMD) wurde im Januar 1996 gegründet. In ihr arbeiten gegenwärtig ein Dutzend Gewerkschaften, Parteien und Verbände zusammen, die in die aktuelle Diskussion um die Informationsgesellschaft vor allem demokratie- und arbeitspolitische, sozialstaatliche und ökologische Aspekte einbringen wollen, <http://staff-www.uni-marburg.de/~rillingr/imd/imd1.html>. Die IMD unterhält auch eine eigene Mailingliste: IMD-L Informationsgesellschaft - Medien - Demokratie <IMD-L@VM.GMD.de> (7) IMD, Hamburger Erklärung zur Informationsgesellschaft, <http://staff-www.uni-marburg.de/~rillingr/imd/imderkl.html> (8) Rilling, Rainer, Auf dem Weg zur Cyberdemokratie?, Vortrag auf dem Kongreß Demokratie an der Schnittstelle. Neue Medien und politische Perspektiven" der Hessischen Gesellschaft für Demokratie und Ökologie e.V. (HGDÖ) am 07.12.1996 in Frankfurt, <http://staff-www.uni-marburg.de/~rillingr/bdweb/texte/cyberdemokratie-text.html> (9) Nach WWW.Liszt.com gibt es momentan ca. 70.000 Mailing-Listen und etwa 16.000 Newsgroups. Auf das Stichwort 'politi*' gibt es am 30.11.1996 335 Nennungen [0,3 %], von denen dann noch etwa ein Drittel auf den akademischen Bereich entfällt.", Rilling, Rainer, Auf dem Weg zur Cyberdemokratie?, a.a.O. (10) Rilling, Rainer, Auf dem Weg zur Cyberdemokratie?, a.a.O. (11) Geert Lovink in einem Radio-Interview des Deutschlandfunks, Gesprächsreihe Netzbewohner - Trends in der Informationsgesellschaft" vom 16.02.1997. (12) Kubicek, Herbert im Gespräch mit Florian Rötzer über die demokratischen Potentiale des Internet, <http://www.heise.de/tp/deutsch/special/pol/8003/1.html> (13) Kubicek, Herbert im Gespräch mit Florian Rötzer über die demokratischen Potentiale des Internet, a.a.O. (14) Telekommunikationsgesetz, Mediendienstestaatsvertrag, Informations- und Kommunikationsdienstegesetz mit Teledienstegesetz, Teledienstedatenschutzgesetz, Signaturgesetz und Änderung des StGB und des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten (15) Die Vielfalt der verschiedenen Gremien und beteiligten Institutionen kann im Bericht der Bundesregierung Info 2000 - Deutschlands Weg in die Informationsgesellschaft" nachgelesen werden. |