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2.1.2 Neue Rolle für Regionen und Gemeinden

Mit der Liberalisierung des Telekommunikationsmarktes und der Aufhebung des Monopols für Sprachdienste zum 1.1.1998 ist zu erwarten, daß zunehmend auch große Städte und Kommunen in diesen Sektor drängen und eigene regionale Netze, Multimediaprojekte und Informationssysteme errichten.(1)

Ulrike Stopka benennt eine Vielzahl zukünftig möglicher Betätigungsfelder auf dem Telekommunikationsmarkt für Kommunen oder kommunale Unternehmen:

  • Anbieten von Multimedia-Diensten
  • Anbieten von Sprachtelefondiensten und Zusatzleistungen
  • Betreiben von Fernsehverteilnetzen
  • Anbieten von Abruf- und interaktiven Informationsdiensten
  • Anbieten von Fernwirk-Diensten
  • Betreiben von Funkverbindungen und Breitband-Übertragungswegen
  • Anbieten leistungsbezogener Dienste (Netzmanagement, Wartung, Planung und Beratung)
  • Verkauf/Vermietung der Nutzungsrechte für Trassen, Leerrohre und Leitungen
  • (2)

Diese Betätigungen geschehen häufig in Form strategischer Allianzen z.B. mit Energieversorgungsunternehmen, Stadtwerken oder Nahverkehrsunternehmen, die bereits über Ressourcen, z.B. in Form von bestehenden Teilnetzen, verfügen. Die Gründe für die - nicht unumstrittene - wirtschaftliche Betätigung der Kommunen (3) liegen auf der Hand: kommunale Kommunikationsnetze dienen der Attraktivitätssteigerung und somit der Sicherung eines Wirtschaftsstandortes, sie schaffen neue Infrastrukturen, sparen Ausgaben für Telekommunikationskosten und eröffnen neue Einnahmequellen für strapazierte kommunale Haushalte.

Willi Lohmann betont die Bedeutung des wirtschaftlichen Engagements der Kommunen auf diesem Sektor:

„Zu den neuen Aufgaben kommunaler Daseinsvorsorge gehört es, für Bürger und Unternehmen, Verwaltungen, Verbände und Organisationen die Voraussetzungen zu schaffen, die Möglichkeiten von Telekommunikation und Multimedia-Produkten zu nutzen, die sie für sinnvoll erachten und die zur Steigerung der Leistungsfähigkeit von Betrieben und Verwaltungen benötigt werden."(4)

Das Telekommunikationsgesetz (TKG) verzichtet in seiner endgültigen Fassung auf eine eindeutige Festlegung von finanziellen oder materiellen Ausgleichsabgaben der Dienste-Anbieter für die Inanspruchnahme kommunaler Wegerechte.

Als mögliche Kriterien für die Ausgestaltungen von Nutzungsentgelten würden sich nach Klaus Moryson (Arbeitskreis Kommunikation und Netze - Deutscher Städtetag) anbieten:(5)

  • Entgeltvereinbarungen, bemessen als pauschaler Prozentzuschlag auf das Umsatzvolumen der Anbieter von Telekommunikationsleistungen
  • nach qualitativen und/oder quantitativen Gesichtspunkten differenzierte Entgeltvereinbarungen (schnelle bzw. langsame Übertragungswerte)
  • Quantität der zu übertragenden Daten
  • Länge/Anzahl der Leitungen
  • Lage (Zentrum/Randgebiete) der Versorgungsgebiete bzw. Netze
Vorstellbar wäre aber auch ein materieller Ausgleich der wie folgt gestaltet sein könnte:
  • Einräumung bestimmter Nutzungsrechte an den Übertragungswegen
  • Übertragung des Eigentums an den verlegten Kabeln (nach einer bestimmten Nutzungszeit)
  • Überlassung von zusätzlichen Leerrohren, die gleichzeitig mit den Leitungen des Dienstebetreibers verlegt werden könnten
  • kostenlose Aufschaltung öffentlicher Einrichtungen

Im Hinblick auf die kostenlose Anbindung öffentlicher Einrichtungen, betont Herbert Kubicek, daß solche Ausgleichsmaßnahmen

„[...] zu berechenbaren Aufwendungen für die Netzbetreiber führen. Da die zusätzlichen Anschlüsse nach der einmaligen Einrichtung nur noch geringe variable Kosten erzeugen, ist dieser Aufwand verhältnismäßig gering, die zu Marktpreisen gerechnete Kompensation für die Kommunen hingegen sehr viel höher."(6)

Weiter prognostiziert er: „Da diese Anschlüsse zudem die Heranführung zukünftiger Nutzer an neue Dienste fördern, werden sich die Netzbetreiber gegen derartige Auflagen auch nicht wenden."(7)

Da die Frage nach der Handhabe kommunaler Wegerechte bisher - auch juristisch - nicht abschließend entschieden ist (der § 50 TKG greift möglicherweise über Gebühr in das Selbstverwaltungsrecht der Kommunen ein),(8) haben mittlerweile, auf Initiative des deutschen Städtetages, 12 Städte Verfassungsklage eingereicht.(9)


(1) Im Anhang C, S. 125 ff. des Berichtes der Bundesregierung „Info 2000 - Deutschlands Weg in die Informationsgesellschaft" werden einige Projekte tabellarisch beschrieben.

(2) Stopka, Ulrike, Chancen und Risiken - Kommunen auf dem Weg vom privilegierten Nutzer zum regionalen Telekommunikationsanbieter, in: Jahrbuch Telekommunikation und Gesellschaft 1996, Herbert Kubicek u.a. (Hg.), Heidelberg 1996, S. 73

(3) Wirtschaftliche Betätigungen von Kommunen außerhalb von Versorgungsaufträgen (z.B. Strom und Wasserversorgung) unterliegen nach den Landesgemeindeordnungen und Landeshaushaltsordnungen bestimmten Beschränkungen. Beispielsweise die Zweckbindungsklausel (erfordert die Betätigung einen (dringenden) öffentlichen Zweck?) und die Subsidiaritätsklausel. Vgl. Moryson, Klaus, Kommunale Kommunikationsnetze, in: Jahrbuch Telekommunikation und Gesellschaft 1996, Herbert Kubicek u.a. (Hg.), Heidelberg 1996, S. 79 f.

(4) Lohmann, Willi, Die neue Rolle der Kommunen als City Carrier aus der Sicht der Stadt Gelsenkirchen, in: Jahrbuch Telekommunikation und Gesellschaft 1996, Herbert Kubicek u.a. (Hg.), Heidelberg 1996, S. 85

(5) nach Moryson, Klaus, Kommunale Kommunikationsnetze - Neue Nutzungsperspektiven der Kommunen in der Rolle als Wegerechtsinhaber und Netzanbieter, a.a.O., S. 79

(6) Kubicek, Herbert, Wie Wegerechte den Weg in die Informationsgeselllschaft ebnen können, in: Jahrbuch Telekommunikation und Gesellschaft 1996, S. 103

(7) Kubicek, Herbert, ebd.

(8) vgl. Moryson, Klaus, in: Jahrbuch Telekommunikation und Gesellschaft 1996, S. 77 f.

(9) Lt. Auskunft von Prof. Dr. Losseff-Tillmanns, unter Bezugnahme auf ein persönliches Gespräch mit Herrn Hernnekes (Beigeordneter des Deutschen Städtetages).


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