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2.1.1 Beteiligung, Transparenz und Meinungsvielfalt

Will Politik auch die Positionen der public interest groups bei der Diskussion um Rahmenbedingungen und Ausgestaltung der IKT berücksichtigen, so sollte ihr Engagement über rein populistische Absichtserklärungen deutlich hinausgehen. Im oben beschriebenen Sinne würde das eine verstärkte Öffnung der Politik und ihrer Entscheidungs- und Meinungsbildungsgremien gegenüber der Netzöffentlichkeit bedeuten, inklusive einer verbesserten Netz-Präsenz, um gesellschaftliche Positionen stärker in die politische Erörterung und Entscheidungsfindung zu integrieren.

Angesichts des zur Zeit noch relativ geringen Bevölkerungsanteils,(1) der am Internet teilnimmt, erscheint diese Forderung vielleicht verfrüht, aber es kann nicht erwartet werden, daß sich positive Auswirkungen auf die Wahrnehmung politischer Beteiligungsmöglichkeiten ergeben, wenn nicht frühzeitig die strukturellen Bedingungen hierfür geschaffen werden und sich so eine Politikkultur etabliert, in der Mitsprache gewünscht und gefördert wird.

Wenn Bürgerbeteiligung in einer repräsentativen Demokratie sich nur noch auf die Beteiligung an Wahlen reduziert, und Dialog und Diskurs kaum mehr stattfinden, dann entstehen Politik- oder sogar Demokratieverdrossenheit zwangsläufig. Um diesem Trend entgegenwirken müßte die Politik neue und transparente Partizipations- und Entscheidungsmöglichkeiten und damit eine verstärkte Bürgerbeteiligung zulassen. Datenkommunikationsnetze bieten Möglichkeit dafür an.

„Offene Netze und offene Politik bedingen sich. Die demokratiepolitische Qualität der Netze und des neuen Informationsraums entsteht aus der demokratischen Konfiguration der technischen Architektur des Netzes und setzt eine demokratische Kultur des politischen Realraumes voraus." (2)

Das Internet als Computernetzwerk hat also schon allein aufgrund seiner technischen Struktur eine katalytische Wirkung auf unmittelbare Meinungsvielfalt. Bürgerinitiativen, Institutionen und Einzelpersonen können mittels der Internet-Technik Ankündigungen, Erklärungen, Hilfegesuche u.ä. kostengünstig und schnell an einen großen Adressatenkreis richten. Theoretisch bieten auch die klassischen Medien diese Möglichkeiten, jedoch immer verbunden mit einem ungleich höheren Aufwand und dabei nicht zwangsläufig mit vergleichbarer Reichweite wie sie ein weltweites Netzwerk bietet. Das Einsenden eines Leserbriefs an eine Zeitschrift garantiert eben nicht, daß diese Meinungsäußerung auch abgedruckt und so die gewünschte Öffentlichkeit hergestellt wird.

Das Internet und seine Dienste - insbesondere WWW und Usenet - könnten seitens der Politik als Medium für eigene Transparenz, aber auch im Sinne einer Öffnung, für eine größere Bürgerbeteiligung genutzt werden. Dies geschieht in Deutschland bislang allerdings nur in Form einer Top-Down-Information im WWW. Anders in den USA:

„Zu der Frage, wie der Universal Service inhaltlich weiterentwickelt werden soll, wurden über die USA verteilt mehrere Anhörungen durchgeführt, zu denen insbesondere Public Interest Groups eingeladen wurden und auch elektronische virtuelle Anhörungen veranstaltet." (3)

Auf dem WWW-Server(4) des Deutschen Bundestages finden sich zwar neuerdings Download-Möglichkeiten(5) für Tagesordnungen und Protokolle der Plenarsitzungen.(6) Wenn jedoch an anderer Stelle auf diesem Server der Zwischenbericht der Enquetekommission Zukunft der Medien(7) erst mehr als zwei Monate nach seiner Verabschiedung online zu beziehen ist, dann stellt sich die Frage, welchem Zweck - außer einem historisch-dokumentarischen - dieses Angebot dienen soll. Eine öffentliche Diskussion läßt sich so sicherlich nicht anschieben.

Ganz andere Wege hat die amerikanische Regierung beschritten, als sie Ende Februar 97 eine eigene Government-Hierarchie im Usenet installiert hat, die praktisch alle Bereiche der öffentlichen Politik abdeckt. Ersten Meldungen zufolge soll diese Hierarchie auch ausländischen Regierungen zur Nutzung offen stehen.(8) Darüber hinaus wurde in den USA schon vorher mit dem Freedom of Information Act das Zugangsrecht der Bürger zu Informationen, die mit öffentlichen Mitteln erstellt wurden, gesetzlich verankert. Hierbei werden lediglich die Kosten für den Versand in Rechnung gestellt. Jeder Bürger hat so eine kostengünstige, schnelle und unkomplizierte Möglichkeit, auf elektronischem Wege eine Vielzahl relevanter Informationen zu beziehen.


(1) Momentane Schätzungen bewegen sich zwischen 2 und 5 Prozent der Gesamtbevölkerung.

(2)Rilling, Rainer, Auf dem Weg zur Cyberdemokratie?, a.a.O.

(3) Kubicek, Herbert, Allgemeiner Zugang und informationelle Grundversorgung, in: Deutschlands Weg in die Informationsgesellschaft, Jörg Tauss u.a. (Hg.), Baden-Baden, 1996, S. 179

(4) Server = Rechner oder Prozeß auf einem Rechner, der einen spezifischen Internetdienst (hier: World Wide Web) zur Verfügung stellt.

(5) Download = der Prozeß der Datenübertragung von einem Fremdrechner.

(6) <http://www.bundestag.de>

(7) Bundesdrucksache 1300, 12/96

(8) Verschwiegen werden soll an dieser Stelle nicht, daß das Vorgehen der amerikanischen Regierung auch auf Kritik stößt, weil sie sich bei der Einrichtung der Government-Hierarchie (aus immerhin mehr als 200 Newsgroups) nicht an die im Usenet üblichen Konventionen zur Diskussion und Wahl vor Gruppen-Einrichtungen (RfD und CfV - s. Glossar) gehalten hat. Außerdem scheint der überwiegende Teil der neu geschaffenen Newsgroups lediglich für Zwecke der Ankündigung (announcement) und nur ein geringer Teil für Diskussionen gedacht zu sein.


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