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2.2.1 Informationelle Grundversorgung

Grundlage der deutschen Mediengesetzgebung ist das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung und die Freiheit der Berichterstattung, wie sie sich aus dem Grundgesetz ergeben.(1)

Der Begriff der informationellen Grundversorgung ist analog zum Grundversorgungsauftrag des Rundfunkstaatsvertrages(2) zu verstehen und beschreibt einen staatlichen Infrastrukturauftrag mit direkten Auswirkungen auf die Demokratie.

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) konkretisierte in mehreren sog. Rundfunkurteilen den Begriff der Rundfunkfreiheit. Die daraus resultierende duale Rundfunkordnung beinhaltet folgende Strukturprinzipien:

  • Grundversorgungsauftrag der öffentlich-rechtlichen Anbieter, die sich am klassischen Programmauftrag orientiert (Information, Bildung, Kultur und Unterhaltung).
  • Rundfunkfreiheit dient der Aufgabe, freie und umfassende Meinungsbildung zu gewährleisten; essentielle Bedingung ist die Freiheit von staatlicher Beeinflussung (vgl. BVerfGE 57/S.262).
  • Gewährleistung von Bestand und Entwicklung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks (Gebührenerhebung und -anpassung).
  • Gesetzliche Konzentrationsbestimmungen, die das Entstehen von Monopolstellungen, zum Beispiel durch unkontrollierte Fusion privater Anbieter (Medienkonzentration) verhindern, sind vorzusehen.
  • Auch von privaten Anbietern wird ein Grundstandard verlangt (Meinungsvielfalt, Einrichtung offener Kanäle, weltanschauliche Vielfalt).

Bei den traditionellen Massenmedien gilt durch die duale Anbieterstruktur (öffentlich-rechtlich / privat) und durch den bestehenden Zugang zu erschwinglichen Kosten, eine ausreichende Grundversorgung heute als gewährleistet.

Angesichts der Entwicklungen im Bereich der neuen IKT muß jedoch davon ausgegangen werden, daß der Rundfunk in seiner jetzigen Form sich auflösen und zu neuen Medien entwickelt wird (Konvergenz). Daraus ergibt sich die Notwendigkeit für eine Weiterentwicklung der dualen Rundfunkordnung zu einer dualen Informationsordnung.

Bereits heute drängen immer mehr Verlage und Rundfunkanstalten in das Internet. Große Verlage treten dabei heute schon als selbständige Provider auf (WAZ, RP-Online) und erschließen sich so zusätzliche Märkte und Kunden, die mit ihrem eigentlichen Betätigungsfeld nichts mehr gemein haben.

So weit gehen öffentlich-rechtliche Sendeanstalten zwar nicht, aber auch sie bewegen sich in das neue Medium und versuchen, es für ihre Zwecke zu nutzen. Das WWW-Angebot des WDR beispielsweise arbeitet u.a. Hintergrundinformationen auf, die im Zusammenhang mit der Recherche zu TV-Sendungen zusammengetragen wurden und dem Zuschauer im Rahmen beschränkter Sendezeit nicht zwangsläufig in der gewünschten Ausführlichkeit präsentiert werden können. Da die Produktionskosten ohnehin schon angefallen sind, ist auch schwer einzusehen, warum der vergleichbar geringe Aufwand für eine Aufbereitung zur Präsentation im WWW dem Gebührenzahler vorenthalten werden sollte. Immerhin ist die Produktion von diesem bereits finanziert worden, und es erschließen sich so zusätzliche Informationsquellen, mit denen er zeitlich und räumlich unabhängig von festgelegten Sendeterminen und Programmschemata wird.

Wie bereits angedeutet, könnte neben den sich ohnehin etablierenden gewerblichen Anbietern, weiterer öffentlicher Input (von Hochschulen, Bibliotheken, öffentlicher Verwaltung, etc.) - einem erweiterten Verständnis des Grundversorgungsauftrags entsprechend - für die IKT aufgegriffen und verwertet werden.

Kubicek konstatiert, daß sich schon bei den traditionellen Massenmedien eine duale Struktur aus privatwirtschaftlichen und öffentlichen Anbietern entwickelt hat:(3)

  • Neben dem Buch- und Pressemarkt haben wir öffentliche Büchereien geschaffen.
  • Neben dem zunächst nur öffentlich-rechtlichen Rundfunk sind privatwirtschaftlich geführte Sender entstanden, die wiederum durch Offene Kanäle ergänzt werden.

Er stellt weiter fest,(4) daß die Herausforderung auf dem Weg in die Informationsgesellschaft darin liege, „entsprechende Verfahren zu schaffen, die den sich entwickelnden Markt interaktiver multimedialer Informations- und Kommunikationssysteme subsidiär ergänzen."

Eine Verpflichtung „privatwirtschaftlicher Netzbetreiber und Diensteanbieter zu Leistungen im öffentlichen Interesse" leitet er aus der Verfassung ab, „nach der der Staat die Freiheit der Meinungsbildung zu gewährleisten hat."

Im Sinne einer möglichst breiten Informationsversorgung und damit Meinungsbildung der Bevölkerung, wäre darüber hinaus zu fordern, daß gesetzliche Konzentrationsbestimmungen im Bereich der IKT wie schon beim Rundfunk dafür sorgen, daß Meinungspluralität und weltanschauliche Vielfalt erhalten bleiben.


(1) Art. 5 Abs. 1 Satz 1 und 2, Art. 87f, Abs. 1 GG

(2) vgl. Bekanntmachung zum Staatsvertrag über den Rundfunk im vereinten Deutschland vom 31. August 1991 (Gesetz und Verordnungsblatt für das Land Nordrhein-Westfalen, Nr. 50 vom 3. Dezember 1991)

(3) vgl. Kubicek, Herbert, Duale Informationsordnung als Sicherung des öffentlichen Zugangs zu Informationen, 1995, <http://infosoc.informatik.uni-bremen.de/internet/fgtk/OnlineInfos/INFORMATIONSORDNUNG/
INFORMATIONSORDNUNG.html>
, auch erschienen in: Computer und Recht 6/95, S. 370-379

(4) Kubicek, Herbert, Duale Informationsordnung als Sicherung des öffentlichen Zugangs zu Informationen, 1995, a.a.O.


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